Das Karotten-Eis

Eine gelungene Komödie gilt dann als gelungen, wenn der Schlussgag in Erinnerung bleibt. Wenn wir uns nur an die Filme von Laurel & Hardy erinnern, ist es so. Und diese Gags sind meist gespickt mit Schadensfreude. Wir lachen lauthals, klopfen uns auf die Schenkel und sind entzückt. Das Missgeschick der Anderen ist halt was „Schönes“. Wie könnten wir sonst die Scherze zum Ersten April einordnen. Das Wort Gerechtigkeit wird erstmal bei Seite gelegt und eine Torte im Gesicht des Anderen oder ein Stolpern in der Pfütze erfreut unsere Gemüter.
Ja, ich gebe es zu, auch ich hege ab und zu dieses Gefühl. Nur blöd, wenn sich das Ganze zum Bumerang entwickelt. Der Reihe nach. Manchmal ist meine Frau ein klein wenig frech, da passen wir  hervorragend zusammen, also ich bin dann auch etwas frecher, sie kontert und dann kann ich ja nicht tatenlos den Kürzeren ziehen…….. Also, wir in Heraklion am Löwenbrunnen vor einer Eisdiele. „Du weißt, was mir schmeckt“, sagte meine Angebetete und grinste. „Ich setze mich schon mal auf die Bank da.“ Sie tat es und ich ging zum Tresen, bestellte mein Eis, jeweils eine Kugel Zitrone, Erdbeere und Melone. „Und für meine Frau“, sagte ich zur jungen Verkäuferin, „das ekelhafteste Eis das Sie haben.“ Sie schaute mich fragend an, ich grinste, sie grinste zurück. „Ja habt ihr irgendetwas wie Chili auf Pfefferminz oder Leberwurst auf Maracuja?“ „Wir haben nur Karotten-Orangen-Eis“, sagte sie.  Ich fand, es hatte eine scheußliche Farbe und bestellte drei Kugel davon. So ging ich mit meinem leckeren Zitrone-, Erdbeere-, Meloneneis und dem anderen zur Bank und reichte meiner Frau das komisch aussehende Etwas. Erwartungsvoll wollte sie den Becher nehmen, als mir siedend heiß einfiel, dass meine Frau eine Karotten-Allergie hat. Schadenfreude ja, aber Mordanschlag nein ! Ich tauschte die Becher und nach dem ersten Staunen mussten wir beide lauthals lachen. Ok, das Karotten- Dingsbums- Eis schmeckte nicht einmal so schlecht. Aber da bemerkte ich, wie die Frau neben uns auf der Bank schadenfroh grinste. Inzwischen hatte ich etwas wie „ich bin doch so ein Trottel“  gesagt und die Frau grinste erneut. Äußerlich sichtlich eine Griechin fragte ich sie, ob sie uns verstehen könnte und sie sagte, dass sie eine Deutschlehrerin sei, jedoch noch nie in Deutschland gewesen war. Wir fragten, wo sie unterrichtet und sie antwortete, dass sie momentan nur zwei Stunden in der Woche gibt, da die Leute kein Geld haben, um Fremdsprachen zu erlernen. Weiter berichtete sie, dass es ab dem Herbst Fördermittel geben würde, weil man in Deutschland Fachkräfte braucht, diese jedoch zwar in Griechenland vorhanden wären, aber leider beherrschen die jungen Leute die Sprache nicht.
Frau Dragaki, so hieß die Frau, Anfang vierzig, war mit ihrer sechzehnjährigen Tochter da. Das wenige Geld das zur Verfügung stand, dürfte nicht der Grund sein, Auszeiten zu nehmen, und sei es auch nur ein Eis, dass mit knapp zwei Euro die Kugel schon hochpreisig angesetzt war. Diese Auszeiten sind auch dafür da, die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht aufzugeben, und mein kleines Malheur mit dem Eis hat die beiden köstlich amüsiert. Wir wünschten ihr viel Erfolg, bis sie in einem akzentfreien Hochdeutsch fragte: „ Und wie schmeckt Ihnen dieses ekelhaft aussehende, mit Sicherheit schrecklich schmeckende Eis?“ Meine Frau und sie lachten, ich grinste, weil ich ein höflicher Mensch bin, aber in meinem Kopf drehten sich die Zahnrädchen, wie ich diese Schadenfreude, die mir entgegenschlug, wieder für mich ausnützen könnte.
Wie sagt mein Cousin Kostas: Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben, danke dass ich es als Grieche leben darf.