Manolis warf sich schwungvoll in einen Sessel. Die Nummer, die er wählen wollte, hatte er bereits tausendmal gewählt. Irgendwo spürte er ein Geräusch, er hörte es nicht, er spürte es in sich und er wusste, die Zeit wird knapp, er musste sofort handeln. Er hob den Telefonhörer ab, sah, dass er drei nicht abgehörte Nachrichten hatte, ignorierte dieses und tippte fast wie ein feierliches Ritual die achtstellige Nummer. Es klingelte drei Mal, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein. “Guten Tag…Sie haben die Nummer….“ Anrufbeantworter waren für ihn das allerletzte, er hasste diese elektronischen, nervtötenden Geräte. Und als er ohne einen Ton zu sagen den Hörer auflegte, war dieses Geräusch wieder da, nur lauter und jetzt deutlich vernehmbar. Er stand auf und schlich sich zur Fensterfront des Zimmers. Der Lärm von Heraklion war ihm bekannt, in diesen Lärm vermischte sich ein anderes Geräusch, so bekannt und doch so verstörend. Auf einmal kam ihm dieses Zimmer größer als sonst vor. Irgendetwas war anders. Die Bücherregale waren wie immer vollgestopft und sein Schreibtisch voller Papierstapel. Die Bilder waren dieselben, die er kannte und die drei Neonleuchten strahlten genau so grell wie immer ihr unnatürliches Licht. Er schloss für einen Moment seine Augen und versuchte, seine Sinne zu ordnen. Scheinbar war alles wie immer, aber eben nur scheinbar. Ziellos begann er im Zimmer umherzugehen. Noch einmal irrte sein Blick über die Wände. Er versuchte sich irgendetwas einzuprägen, damit seine Gedanken eine andere Richtung erhielten. Er erinnerte sich an seinen Bruder, der ihm mal sagte, dass er Zehn Euro bekommen würde, wenn er drei Stunden lang nicht an einen roten Elefanten denkt. Und es ist das sicherste der Welt, dass tatsächlich derjenige an nichts anderes als eben diesen roten Elefanten denkt. An diesem Punkt setzten sein Verstand und sein Jetzt aus. Auf einmal vollkommene Leere. Vor ihm schwebten zusammenhanglose Erinnerungen, ein greller Blitz, ein Schrei und dann dieses Vakuum. Als er erwachte, fand er sich in einem Krankenhaus wieder, es musste ein Krankenhaus sein. Kahle weiße Wände, ein grelles Deckenlicht und ein Eisenbett. Seine Arme und Beine waren mit Lederriemen festgezurrt. Ein unheimliches Zimmer. Er atmete mehrmals tief ein und aus, doch dieses Brennen auf der Zunge blieb. Ein Gefühl der Angst kam in ihm auf. Seine Gedanken versuchten, logisch seine Situation zu bewerten. Er suchte Argumente und Bestätigungen, die sein Hiersein erklärten. Er presste seine Augenlider fest zusammen, und als er diese wieder öffnete, tanzten Lichtstreifen vor ihm. Er versuchte, die Hände zu Fäusten zu ballen.Verzweifelte Anstrengungen in einer verzweifelten Lage. Was war geschehen, er sah sich im Straßencafé sitzen und dann irrte er vermeintlich ziellos durch die Altstadt. Er konnte sich nicht erinnern, wo er überall war. Begegnete er Menschen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass alles hier fremd für ihn war, obwohl er sein ganzes Leben nirgendwo anders gelebt hat. War er entführt worden? Er kam sich so ausgelöscht vor, so benutzt.
Schritte kamen näher und die Stimmen zweier Männer waren deutlich vernehmbar. Er stellte sich schlafend und hörte aufmerksam zu wie sich die zwei Männer, offensichtlich Ärzte, unterhielten. Der scheinbar ältere der beiden sagte, dass in einer psychologischen Untersuchung gezeigt wurde, dass unser Gehirn kaum noch Inhalte von Informationen speichert, sondern lediglich den Ort, wo diese Informationen stehen. Und diese Veränderung wird in einem Großversuch in Griechenland vorgenommen.
Weiter vernahm er, dass durch die Tatsache, dass knapp 55 Prozent der jungen Menschen unter 25 arbeitslos sind, viele geeignete Menschen zur Verfügung stehen, da das Bildungsniveau sehr hoch und die Griechen seit je her für ihre Wissensdrang zu solchen und ähnlichen Experimenten brauchbar waren. Die Gelder für diese Versuchsreihe werden durch die IWF bereitgestellt, die sehr eng mit der NSA (National Security Agency), des größten Auslandsgeheimdienstes der Vereinigten Staaten, arbeitet. Die NSA ist, wie wir seit Edward Snowden wissen, für Überwachung, Entschlüsselung und Auswertung elektronischer Kommunikation zuständig. Manolis blinzelte und sah, wie der jüngere der Beiden auf die Uhr blickte. Der Ältere nickte ihm zu. „Gehen Sie in die Pause,“ sagte er, und nachdem dieser den Raum verlassen hatte, kam er an Manolis Bett und beugte sich zu ihm hinunter. “Du brauchst keine Angst zu haben, der Eingriff ist absolut schmerzlos und später wirst Du Dich an nichts mehr erinnern. Wir jedoch werden Dir die politische Gesinnung austreiben und Deine „Syriza“ wird bei den nächsten Wahlen die Hälfte der Stimmen einbüßen.Kosta würde in so einen Fall sagen: “Lieber Gott wir haben doch nur ein Leben, danke dass ich es als Grieche leben darf.”