Karlheinz und ich kennen uns seit 1969. Wir haben gemeinsam unsere erste Lehre begonnen. Irgendwann trennten sich unsere Berufswege, privat jedoch haben wir uns nie aus den Augen verloren. Wie das berühmte Schicksal spielt, trafen wir uns im Wartezimmer der Rentenberatung. Beide wollten wir uns erkundigen, wie wir uns zu verhalten haben. Karlheinz, weil er schon zwei Jahre krank und inzwischen arbeitslos ist und ich, der im hohen Berufsalter sich dazu entschlossen hatte, selbständig zu werden. Im Warteraum war nicht viel los und die nette Dame am Empfang begrüßte mich mit einem Lächeln und der Information, dass sich alle Termine um ca. eine halbe Stunde nach hinten verschieben werden. Nicht unbedingt erfreut watschelte ich zur  Sitzecke und siehe da, Karlheinz saß da und las den Sportteil der Bildzeitung. Nach den üblichen Begrüßungen und den Fragen, wie es der Frau des anderen geht und natürlich den neuesten Fußballnachrichten fragte mich Karlheinz nach meiner  Meinung zur Griechenland Krise. In erster Linie würde er sich über das griechische Rentensystem ärgern, da er gehört hat, dass die „faulen Griechen“ viel mehr Rente bekommen als die deutschen Rentner. „Wir haben 45 Berufsjahre hinter uns und bekommen weniger als die, die nichts arbeiten, ist das richtig?“  Einige Minuten später, als ich ihm schlicht und emotionslos – ich wusste nicht, dass ich das auch kann – die ganze Situation erklärt hatte, meinte er: „Das sind doch arme Schweine“.  Und ich musste ihm Recht geben, weil die meisten griechischen Rentner  leider Gottes dieses Attribut verdienen. Fakt ist, dass das es in Griechenland dreizehn Rentenkassen gibt. Die Parteibosse und ihr Fußvolk der letzten Regierungen haben sich dumm und dämlich daran verdient.„Griechenland muss die Suppe selber auslöffeln“, sagte ich. „Die Griechen, obrigkeitshörig und kritiklos, ließen sich wie ein Ochse an einem Nasenring durch den Politsumpf der letzten vierzig Jahre führen. Jetzt ist eine neue Zeitrechnung angebrochen. Die Zeitrechnung der Wahrheit.“ Karlheinz schaute mich verdutzt an und ich nannte ihm die neun Eckpfeiler, warum es ein Irrsinn wäre, ohne soziale Absicherung die Renten zu kürzen.
        In den letzten fünf Jahren  haben die Rentner mehr als 30% verloren
❷          Die Durchschnittsrente beträgt € 664,69
❸          89% der Rentner sind über 61 Jahre alt
        44,8% der Rentner erhalten Renten, die unter der Armutsgrenze liegen
❺          Wer sich nach 1993 versichert hat, geht erst mit 67 Jahren in Rente
❻          Die Rentenkassen haben 13 Milliarden Euro verloren, weil sie griechische Staatsanleihen gekauft hatten.
❼          Auf einen Rentner kommen derzeit nur zwei Arbeitende
❽          Griechische Rentner sind versichert, erhalten jedoch keine Medikamente
❾          Aktuell sieht es so aus, dass alle, die 62 Jahre alt sind und 40 Jahre lang Beiträge bezahlt haben, in die Rente gehen können. Aber sie können damit nicht leben.
Und was denkst Du“, meinte Karlheinz, „werden sich die Politiker einigen?“ In dem Augenblick kam die Empfangsdame und machte Karlheinz ein Zeichen, dass er zu dem Beratungsgespräch kann.
„Werde mich diese Tage mal melden“, sagte er.
„Lass uns in drei Wochen telefonieren“, antwortete ich. „Wir fliegen am Samstag nach Kreta und da werde ich Unmengen Raki und Ouzo trinken und Du wirst sehen, die Wirtschaft wird angekurbelt werden.
Er winkte lächeln ab.  „Wie immer ein Scherzbold“, sagte er und ging.
In den nächsten Minuten begann ich zu rechnen. Wenn von den 745 Millionen Menschen, die in Europa leben, jeder eine Flasche Ouzo für sagen wir im Schnitt €10. —kaufen würde, ergäbe das eine Summe von 7,5 Milliarden und wenn man noch ein halbes Kilo Schafskäse und 250 Gramm Oliven……..
Im Warteraum der Rentenberatung kommen einem philosophische Gedanken….
Ich musste sofort Kosta anrufen, der wie fast immer meinte: Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben. Danke dass ich es als Grieche leben darf.“