Die Geschichte von einem bösen Traum

1974 erschien eine sehr bemerkenswerte LP, „Der Rattenfänger“ von und mit Hannes Wader. Auf dieser LP ist der Song “Talking Böser Traum Blues” zu hören mit folgendem Refrain:
Diese Geschichte ist nur ein böser Traum
Und dass der mal wahr wird, glaube ich kaum
Denn schon setzen sich Menschen dagegen zur Wehr
Und jeden Tag werden es mehr!
Gut vierzig Jahre später…. nach dem Aufstehen und dem morgendlichen Besuch der Toilette ist mein erster Gang der zum Briefkasten, um die Tageszeitung zu holen. Um 6:00 Uhr morgens, wenn draußen alles noch ruhig ist und die Welt langsam beginnt, aufzuwachen,  setze ich mich an den Esstisch und die Lektüre beginnt. An diesem Tag war ich anfangs etwas irritiert über die Schlagzeilen, dann verunsichert und schließlich total verwirrt.Ich las, dass Königin Alexandra Merkel, eine Nichte der legendären Kanzlerin Angela Merkel, die das Ende der europäischen Union im Jahre 2016 verkündet hatte, zu einem Staatsbesuch im Nachbarland Bayern weilt und dass ihrem Gefolge die Mautgebühren von 3 Thaler und 30 Kreuzer automatisch vom Staatskonto abgebucht wurden.Königin Merkel, so war weiter zu lesen, wird sich dort im Rahmen des G-10- Gipfels mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis, dem Vierten treffen. Als Randnotiz war folgendes zu lesen: Seit dem Jahre 2016, als Griechenland aus der Eurozone hinauskomplimentiert wurde, trägt jeder Ministerpräsident den Namen Alexis, da es seinerzeit Alexis Tsipras gelang, dem maroden und heruntergewirtschafteten Griechenland wieder zu dem  Rang und Namen zu verhelfen, den es in der Antike hatte, und die Würde Griechenlands wieder herzustellen.Merkwürdig das Ganze, dachte ich mir und las weiter in der Zeitung. Dort wurde die Geschichte der letzten fast 100 Jahre dokumentiert, z. B. dass Griechenland in den Monaten der Übergangszeit vom Euro zur Drachme viele Projekte realisieren konnte, deren Umsetzung durch die strenge Hand des IWF und EZB nicht möglich war. Die Flughäfen Athen und Thessaloniki wurden an russische Großinvestoren verpachtet und die drei größten Häfen an chinesische Multikonzerne. Die Arbeitslosenquote halbierte sich bereits nach zwei Jahren und die Jugendarbeitslosigkeit von fast 60 Prozent im Jahre 2015 hat sich momentan bei knapp über 5 Prozent eingependelt. Da Griechenland schon immer ganz vorne in den Arbeitszeit-Statistiken stand, haben Großkonzerne wie General Motors, Microsoft und Daimler Benz ihre Hauptproduktion nach Griechenland verlagert. Mitte der 50er Jahre des 21. Jahrhunderts hatten die derzeit zehn Mitgliedsstaaten der UNO die übrigen Staaten untereinander aufgeteilt. Dieses geschah, wie die Wirtschaftsbosse es seinerzeit nannten, in Form einer friedlichen Übernahme. Man verfrachtete einfach Millionen von Flüchtlingen in diese Regionen – diese hatten auf gut schwäbisch: „nix mehr zu fressen“-,  und verkaufte ihre Souveränität an den Meistbietenden, und diese Länder waren rar. 2015 bestand die UNO aus 193 Mitgliedsstaaten, 2040 waren es  45 und im Jahr 2056 noch 10. Der letzte G-10- Gipfel vor 5 Jahren war an Harmonie nicht zu überbieten. Einstimmig wurde Japan dazu verpflichtet, den Weltmüll zu lagern, da sie sich über Jahrzehnte gewehrt haben, an der Klimaschraube zu drehen. Irak, der letzte noch verbliebene eigenständige Staat im arabischen Raum wurde zum Sitz der NSA und die Begriffe Afrika und Entwicklungshilfe wurden aus den Lexika ersatzlos gestrichen. Durch den enormen Fortschritt im Gesundheitsschutz gab es keine Epidemien mehr, und so wurde durch eine gezielte Nichtbekämpfung der Ebola- Krankheit die Bevölkerung auf dem afrikanischen  Kontinent  ausgelöscht. Jährlich wurde auch eine neue Statue einer Persönlichkeit der Weltgeschichte, die sich nicht immer mit Ruhm und Ehre bekleckert hatte, als Mahnmal enthüllt. In den letzten Jahren waren es Sylvio Berlusconi, die damalige IWF- Macherin Christine Lagarde und jetzt fragen sich die politisch Interessierten, immerhin noch  1,2 Prozent der Bevölkerung,  ob Wolfgang Schäuble den Zuschlag bekommen hat oder doch Sepp Blatter, der die FIFA ruiniert hatte. Langsam doch sehr überrascht vom Ganzen las ich das Datum: 16. Juni 2115. Ich rieb mir die Augen und erschrak im selben Moment, als ich feststellte, dass ich mich noch im Bett befand und die zarte Hand meiner Frau meine Schulter berührte. „Sag mal, hast Du verschlafen?“  Durch den nicht ganz zugezogenen Vorhang fielen die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer, mein Blick aufs Handy bestätigte mir, dass es 6:30 Uhr am 16.Juni 2015 war. „Hast Du was Böses geträumt?“ fragte mich meine Frau. Inzwischen war ich schon aufgestanden und auf dem Weg ins Bad. „Nein, alles ok“, murmelte ich. Die Zeitung, die ich aus dem Briefkasten holte, hatte das aktuelle Datum. Meine  Ängste und Hoffnungen hatte ich im Traum verarbeitet und das Hannes- Wader- Lied kam mir noch einmal in dem Sinn. Nach über sechseinhalb Minuten endet es ungefähr so:
Ich ging zum ersten Besten, holte aus zum Schlag
Wachte auf und sah, dass ich in der Badewanne lag
Weil die Ärzte meinen, dass es gut wär’ das zu tun
Schrieb ich die Geschichte nieder und hier ist sie nun
Diese Geschichte ist nur ein böser Traum
Und dass der mal wahr wird, glaube ich kaum…
Kostas rief mich an dem Tag gegen Mittag an. Wir sollten nicht vergessen, bei unserer nächsten Reise irgendetwas mitzubringen. Ich erzählte ihm von meinem Traum und er meinte, dass die Passagen, die Griechenland betreffen, sich schön anhören würden. Sie seien leider jedoch utopisch. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben. Danke, dass ich es als Grieche leben darf.“

Besuch von Grigoris

Was haben Maximilian Schell, Vittorio Gassmann, Jean Loius Trintignant, Kirk Douglas, Gary Crant, Yves Montand, Peter O´Toole und Takis Emmanuel gemeinsam? Manche werden spontan „Schauspieler“ sagen… Treffer!!!  Aber das wollte ich hier nicht zum Ausdruck bringen, sondern lediglich die Tatsache, dass die deutsche Synchronstimme der Herren von Erik Schumann stammt, vielen als Schauspieler in unzähligen Karl May Filmen ein Begriff. Und das, was ich eigentlich erwähnen wollte ist, dass Takis Emmanuel  in dem wunderbaren australischen Film „Kostas der Grieche“ die Hauptrolle spielte. Und jetzt bekommt das Ganze auch einen Sinn, wenn ich Euch berichte, dass Grigoris, ein alter Schulfreund, der vor Jahren nach Australien ausgewandert ist, eine kleine Nebenrolle in diesem Film hatte. Dieser Grigoris hat mich nun letzte Woche besucht.Überraschend kam der Anruf: “Hallo Bohnenstange, ich bin es.“ Ich war sehr erfreut, nach so vielen Jahren meinen alten Spitznamen wieder zu hören, der mein damaliges Aussehen beschrieb. Die Stimme war unverkennbar trotz der fast dreißig Jahre, die wir uns nicht gesehen hatten. Grigoris war mit einer Gruppe griechischer Akademiker in Deutschland zu Gast und so ergab es sich, dass wir uns nach so vielen Jahren wieder trafen.Ich erkannte ihn sofort in der Hotellobby, in der wir uns verabredet hatten. Er hatte etwas mehr Schwierigkeiten, mich wieder zu erkennen, was sicherlich der Tatsache zu schulden war, dass meine Gewichtsangaben auf dem Kopf stehen (damals 66 Kilo, heute 99 Kilo). 75 Prozent der etwa 700.000 Griechen in Australien leben in Sydney und Melbourne. Mittlerweile ist Melbourne die drittgrößte von Griechen bewohnte Stadt der Welt und die größte außerhalb Griechenlands. Er berichtete mir von seinem Leben und nach dem x-ten Whisky, er trank wie früher 21 Jahre alten Aberfeldy, kamen wir auf die aktuelle Situation in Griechenland zu sprechen. „Ich kann es nicht verstehen, “ meinte Grigoris, „übrigens, wie ich denken die meisten in Australien, wie man ein Land kaputt zu sparen versucht. Steuerflucht und Korruption werden durch dieses einseitige Sparen nicht bekämpft. Die griechische Regierung hat gerade vor zwei Tagen einen Aufschub bekommen, die fälligen Kredite zurück zu zahlen. Nur so können die restlichen 7,2 Milliarden Hilfen, die versprochen waren, ausbezahlt werden. Eine Pleite Griechenlands wäre ein Offenbarungseid für die Demokratie, und nicht nur in Griechenland. Die Gläubiger, wie sie auch heißen, verlangen in erster Linie die Kürzung der Renten. Die Streichung der ‚Sozialen Solidaritätszulage‘ für Rentner und ein sofortiges Einfrieren der Renten bis 2021. Die Anhebung der Krankenkassenbeiträge bei Rentnern“.  Grigoris nahm einen tiefen Schluck und ich konnte sehen, wie er um Fassung bemüht war. „Weißt Du“, setzte er nach einiger Zeit fort,  „wir waren letzte Woche in Athen und Thessaloniki. Wir haben Krankenhäuser besucht, die diesen Namen zu Recht verdienen. Es ist beschämend zu sehen, wie Krebskranke ohne Hilfe dahin vegetieren. Diabetiker erblinden, weil es keine Medikamente gibt. Ein Arzt berichtete uns, dass man ohne Spenden noch viel, viel schlechter dastehen würde und die meisten Spenden, übrigens nur von Privatpersonen, kommen aus Deutschland. Die deutsche Bevölkerung ist weitaus schlauer als mancher in der Regierung. Der Arzt berichtete weiter, dass das Leid nur gelindert werden kann. Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel fehlen überall. Eine Zahl hat der Arzt genannt, die mich wirklich erschreckt hat. Er meinte, dass über 4000 Ärzte das Land verlassen haben. 2500 davon sind nach Deutschland gekommen.Viel, viel später, als mir Grigoris erzählte, dass sein Mini-Auftritt in dem Film „Kostas der Grieche“ in manchen Ländern, auch in Deutschland, herausgeschnitten wurde, meinte er:  „So wie man meinen Auftritt eliminiert hat, so versucht man heute, Griechenland aus Europa zu verbannen.“ Grigoris reichte mir ein neues Glas Whisky. „Stin igia mas file. Sag mal, gibt es Kosta noch?“ „Klar“, erwiderte ich. Grigoris erhob noch einmal sein Glas: „Um mit ihm zu sprechen: Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben. Danke, dass ich es als Grieche leben darf, auch in Australien.“

Einmal noch

Wir saßen an einem Juliabend in unserem Hof in Heraklion, tranken Raki und ließen den Tag Revue passieren. Wir waren zunächst zu viert, als Manos und seine Frau dann doch noch kamen, obwohl er bis weit nach Einundzwanzig Uhr hatte arbeiten müssen. Lefteris Schicht bei Quick endete auch um diese Zeit, so dass er einige Pita-Brote mit Souvlaki und Bifteki brachte und wir somit auch die richtigen Mezedes zum Schnaps hatten. Der Tag war durch die Nachricht eines schweren Busunglücks geprägt. Über zwölf Tote, und mehrere Verletzte kämpften noch im Venizelou Krankenhaus und in der Uniklinik um ihr Leben. „Das Leben ist ein Wimpernschlag“ ist nicht nur eine Floskel.Jemand in der Runde meinte, dass wir uns, obwohl wir alle so verschieden sind, oft nur in Kleinigkeiten unterscheiden. Wenn es aber ums Ganze geht, rücken wir enger zusammen und helfen uns gegenseitig. „Das ist es doch, was einen Menschen ausmacht“, sagte Tante Filareti und Eleni wie auch manch anderer in der Runde nickte zustimmend. „Aber wenn ich noch einmal könnte,“ fuhr Filareti fort, „dann möchte ich noch einmal mit meinem Tasso, Gott hab ihn selig, die Akropolis besuchen.“ Manos meinte daraufhin, dass wenn er etwas noch einmal erleben möchte, dann wäre es der Blick von Tenia, als er ihr den Heiratsantrag machte. Bald war jeder dabei, einen Wunsch auszusprechen und die waren so unterschiedlich wie diese Runde in unserem Hof.
Da waren Aussagen wie:
– Einmal noch sollte mir dieses Stifado gelingen, von dem meine Schwester nach dreißig Jahren immer noch spricht.
– Einmal noch möchte ich, dass die Kinder so klein sind, dass ich ihnen wieder einmal so richtig in den Hintern kneifen kann.
– Einmal noch möchte ich Casablanca sehen und mich mit nassen Augen nach Ingrid Bergmann sehnen.
– Einmal noch möchte ich am Koules bis ganz zum Schluss gehen und danach bei „Ligo Krasi“ einen Liter Retsina trinken.
– Einmal noch möchte ich Dimitra sagen, dass ich sie sehr liebe und das Chania und Iraklion keine Welten voneinander entfernt sind.
– Einmal noch möchte ich das Konzert von Maheritsas im Kalimarmaro erleben und dabei in der ersten Reihe sitzen.
– Einmal noch möchte ich im Stadion sitzen und unser Mittelstürmer soll den entscheidenden Elfmeter links oben in die Maschen knallen.
– Einmal noch würde ich gerne ein Schulkind sein und mit meinem heutigen Wissen Klassenarbeiten schreiben.
Kein einziger in der Runde äußerte den Wunsch, im Lotto zu gewinnen oder eine unerwartete Erbschaft zu erhalten. Es sind die kleinen Wünsche die, einem helfen, das Leben zu meistern, Wünsche und Sehnsüchte, Begehren und Hoffnungen. An diesem Abend, als wir alle im Hof saßen und die traurige Nachricht des Busunglücks verarbeiteten, gab es keine Eifersüchteleien und Kleinkriege, es gab keine Missgunst und Demütigungen. Bis dato hatte jeder etwas gesagt, nur Kostas meinte: Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben. Danke dass ich es als Grieche leben darf.

NSA auf Kreta

Manolis warf sich schwungvoll in einen Sessel. Die Nummer, die er wählen wollte, hatte er bereits tausendmal gewählt. Irgendwo spürte er ein Geräusch, er hörte es nicht, er spürte es in sich und er wusste, die Zeit wird knapp, er musste sofort handeln. Er hob den Telefonhörer ab, sah, dass er drei nicht abgehörte Nachrichten hatte, ignorierte dieses und tippte fast wie ein feierliches Ritual die achtstellige Nummer. Es klingelte drei Mal, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein. “Guten Tag…Sie haben die Nummer….“ Anrufbeantworter waren für ihn das allerletzte, er hasste diese elektronischen, nervtötenden Geräte. Und als er ohne einen Ton zu sagen den Hörer auflegte, war dieses Geräusch wieder da, nur lauter und jetzt deutlich vernehmbar. Er stand auf und schlich sich zur Fensterfront des Zimmers. Der Lärm von Heraklion war ihm bekannt, in diesen Lärm vermischte sich ein anderes Geräusch, so bekannt und doch so verstörend. Auf einmal kam ihm dieses Zimmer größer als sonst vor. Irgendetwas war anders. Die Bücherregale waren wie immer vollgestopft und sein Schreibtisch voller Papierstapel. Die Bilder waren dieselben, die er kannte und die drei Neonleuchten strahlten genau so grell wie immer ihr unnatürliches Licht. Er schloss für einen Moment seine Augen und versuchte, seine Sinne zu ordnen. Scheinbar war alles wie immer, aber eben nur scheinbar. Ziellos begann er im Zimmer umherzugehen. Noch einmal irrte sein Blick über die Wände. Er versuchte sich irgendetwas einzuprägen, damit seine Gedanken eine andere Richtung erhielten. Er erinnerte sich an seinen Bruder, der ihm mal sagte, dass er Zehn Euro bekommen würde, wenn er drei Stunden lang nicht an einen roten Elefanten denkt. Und es ist das sicherste der Welt, dass tatsächlich derjenige an nichts anderes als eben diesen roten Elefanten denkt. An diesem Punkt setzten sein Verstand und sein Jetzt aus. Auf einmal vollkommene Leere. Vor ihm schwebten zusammenhanglose Erinnerungen, ein greller Blitz, ein Schrei und dann dieses Vakuum. Als er erwachte, fand er sich in einem Krankenhaus wieder, es musste ein Krankenhaus sein. Kahle weiße Wände, ein grelles Deckenlicht und ein Eisenbett. Seine Arme und Beine waren mit Lederriemen festgezurrt. Ein unheimliches Zimmer. Er atmete mehrmals tief ein und aus, doch dieses Brennen auf der Zunge blieb. Ein Gefühl der Angst kam in ihm auf. Seine Gedanken versuchten, logisch seine Situation zu bewerten. Er suchte Argumente und Bestätigungen, die sein Hiersein erklärten. Er presste seine Augenlider fest zusammen, und als er diese wieder öffnete, tanzten Lichtstreifen vor ihm. Er versuchte, die Hände zu Fäusten zu ballen.Verzweifelte Anstrengungen in einer verzweifelten Lage. Was war geschehen, er sah sich im Straßencafé sitzen und dann irrte er vermeintlich ziellos durch die Altstadt. Er konnte sich nicht erinnern, wo er überall war. Begegnete er Menschen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass alles hier fremd für ihn war, obwohl er sein ganzes Leben nirgendwo anders gelebt hat. War er entführt worden? Er kam sich so ausgelöscht vor, so benutzt.
Schritte kamen näher und die Stimmen zweier Männer waren deutlich vernehmbar. Er stellte sich schlafend und hörte aufmerksam zu wie sich die zwei Männer, offensichtlich Ärzte, unterhielten. Der scheinbar ältere der beiden sagte, dass in einer psychologischen Untersuchung gezeigt wurde, dass unser Gehirn kaum noch Inhalte von Informationen speichert, sondern lediglich den Ort, wo diese Informationen stehen. Und diese Veränderung wird in einem Großversuch in Griechenland vorgenommen.
Weiter vernahm er, dass durch die Tatsache, dass knapp 55 Prozent der jungen Menschen unter 25 arbeitslos sind, viele geeignete Menschen zur Verfügung stehen, da das Bildungsniveau sehr hoch und die Griechen seit je her für ihre Wissensdrang zu solchen und ähnlichen Experimenten brauchbar waren. Die Gelder für diese Versuchsreihe werden durch die IWF bereitgestellt, die sehr eng mit der NSA (National Security Agency), des größten Auslandsgeheimdienstes der Vereinigten Staaten, arbeitet. Die NSA ist, wie wir seit Edward Snowden wissen, für Überwachung, Entschlüsselung und Auswertung elektronischer Kommunikation zuständig. Manolis blinzelte und sah, wie der jüngere der Beiden auf die Uhr blickte. Der Ältere nickte ihm zu. „Gehen Sie in die Pause,“ sagte er, und nachdem dieser den Raum verlassen hatte, kam er an Manolis Bett und beugte sich zu ihm hinunter. “Du brauchst keine Angst zu haben, der Eingriff ist absolut schmerzlos und später wirst Du Dich an nichts mehr erinnern. Wir jedoch werden Dir die politische Gesinnung austreiben und Deine „Syriza“ wird bei den nächsten Wahlen die Hälfte der Stimmen einbüßen.Kosta würde in so einen Fall sagen: “Lieber Gott wir haben doch nur ein Leben, danke dass ich es als Grieche leben darf.”

 

 

Weinprobe in Dafnes

Bei unserer letzten Kretareise hatten sich mein Schwager Werner und seine Frau Monika uns angeschlossen. Werner, ein Badener durch und durch, war zwar schon mal in Griechenland, jedoch noch nie auf Kreta. Um den beiden unsere zweite Heimat näher zu bringen, hatte sich meine Frau einige Highlights schon ausgesucht. Klar, dass hier ein Ausflug nach Agios Nikolaos wie auch eine Rundfahrt durch die Lasithi- Hochebene dazu gehörten. Ein Besuch des Klosters Savathianon war so unumgänglich wie auch diverse andere Aktivitäten, die man, ohne in Stress auszubrechen, in sieben Tagen erleben kann. Wir besuchten die beiden zwei Wochen vor dem Abflug und wollten bei einem gemütlichen Nachmittag einige Informationen austauschen und vielleicht noch die eine oder andere Idee gemeinsam erörtern. Es war ein sehr schöner Sonntag und Monika schlug vor, in die benachbarte Pfalz zu fahren, mit dem Schäferhund Jenny eine kleine Runde zu drehen und dann in einer der zahlreichen Vinotheken entlang der deutschen Weinstraße ein Gläschen zu trinken. Ok, hier muss ich zugeben, dass ich, was Weine anbelangt, weder von Dionysos, dem griechischen Gott des Weines, noch von seinem römischen Kollegen Baccus geküsst worden bin. Gerne trinke ich ein Gläschen Retsina und dann hat es sich auch.Jetzt waren wir jedoch in der Pfalz und da gibt es keinen Retsina. Werner jedoch ließ sich nicht lumpen und spendierte mir ein Viertele, welche Sorte habe ich leider wieder vergessen, aber dieser schmeckte so, wie meiner Mutters Sohn den Wein liebt, lieblich und richtig fruchtig. Wieder zuhause angelangt kam meiner Frau die Idee: Wir machen auf Kreta eine Weinprobe. Ok, gesagt aber noch lange nicht getan. Aber wie heißt es so schön auf „altgriechisch“: Nicht verzagen, Kosta fragen. Wir hatte für uns einen besonderen Tipp: Winzerfamilie Douloufakis in Dafnes. Somit war klar, wir mussten in diesen sieben Tagen auch eine Weinprobe machen. Auf Kreta eingetroffen, rief ich am Vortag des geplanten Events bei der besagten Weinkellerei an, eine sehr freundliche und höfliche Dame erklärte uns den Weg und somit machten wir uns am nächsten Tag auf den selbigen, um ins schöne Örtchen Dafnes, das mit seinen ca. 1500 Einwohnern knappe 20 km südlich von Heraklion zu finden ist, zu gelangen. Das Weingut ist mit modernster Technologie ausgestattet und erbringt eine Kapazität von ca. 2.000 Hektolitern.Für griechische Verhältnisse, früh gegen 13:00 Uhr, kamen wir an und Michalis, ein überaus sympathischer Mitarbeiter von Katerina und Nikos Douloufakis, machte mit uns eine Privatführung. Er erklärte uns, wie aus einer Idee ein Wein entsteht, für mich alles neu, für meinen Schwager nur eine Bestätigung seines Wissens. Die Führung wurde fortgesetzt in der Abfüllanlage, und als ich eine Frage nach der Quantität stellte, wurde die automatische Maschine kurzerhand ausgeschaltet und die zwei Mitarbeiter standen parat, um unsere Fragen zu beantworten. Wir erfuhren, dass in Deutschland drei Großhändler zu den guten Kunden zählen und machten uns dann auf den Weg zur Probierstube. Michalis erläuterte uns die kretischen Rebsorten Tachtas, Vilana, Soultanina, Liatiko und so weiter und berichtete, dass man auch internationale Sorten wie Cabernet, Merlot, Sylvaner und Chardonnay im Repertoire hat. Die Weinprobe begann.
Auf den Tisch wurde Kefalotiri in Würfeln sowie kretischer Zwieback gestellt und 9, in Worten neun Flaschen wurden entkorkt und probiert. Immer wieder hörten wir, das Kreta ein enormes Potential hat und dass es allein in Dafnes mehrere Winzerfamilien gibt. Wir waren inzwischen bei der siebten oder achten Flasche angelangt, als Michalis begann, von sich und seiner Familie zu erzählen. Er war in Ioannina geboren, hat in Athen studiert hat und dort seine Frau kennen gelernt, die eben aus Dafnes stammt. So zog er der Liebe wegen nach Kreta und fand bei der Familie Douloufakis einen besonders guten Arbeitgeber. Er offenbarte uns ein Geheimnis, das wir jedoch noch nicht weitererzählen dürfen. Also werde ich hier noch nichts verraten. Wir versprachen ihm jedoch, Ende Juni noch einmal zu kommen und bei diesem Besuch wird er uns grünes Licht geben, das Neueste aus dem Hause Douloufakis bekannt zu machen. Die für mich beste Weinprobe aller Zeiten ging zu Ende, ok, es war wie gesagt meine erste, aber bei der Winzerfamilie Douloufakis mit Sicherheit nicht die letzte. Heute Abend werden wir eine Flasche Douloufakis Malvasia PGI entkorken und uns an diesen sehr informativen Nachmittag erinnern. Ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, das Monika inzwischen einen Volkshochschulkurs „Griechisch für Anfänger“ gebucht hat und Werner schon danach schaut, wann wir wieder gemeinsam nach Kreta reisen werden. Wie sagt mein Cousin Kostas doch so schön: “Gott, wir haben doch nur eine Leben, danke dass ich es als Grieche leben darf”.